Am südöstlichen Ende des Truppenübungsplatzes Bruckneudorf findet man eine der letzten verbliebenen Erinnerungen an den Kalten Krieg: Die Bunkeranlage „Ungerberg 3“ war eine von insgesamt sechs festen Anlagen zur Verteidigung gegen einen Angriff aus dem Osten. Ihr Standort wurde nicht zufällig gewählt: sie dominiert die Brucker Pforte. Diese Ebene zwischen Donau und dem Neusiedler See war eine von wenigen Möglichkeiten, durch die die Panzerarmeen des Warschauer Paktes bei einem Angriff auf die NATO den Durchmarsch durch Österreich begonnen hätten. Seit 2013 ist sie Außenstelle des Heeresgeschichtlichen Museums. Am 5. November 2016 tauchten Deutschmeister und andere interessierte Teilnehmer in die Tiefe des Ungerberges ab. Offiziersstellvertreter Josef Hatos, der gemeinsam mit Vizeleutnant Pichler die Anlage betreut und vor der Desarmierung bewahrt hatte, führte sie durch das Werk.
Gebaut wurde die Anlage in den Jahren 1959 und 1960 als Teil des Schleinzer-Walls – nach dem damaligen Verteidigungsminister Karl Schleinzer benannt. Da sie die dritte geplante Anlage im Sperrriegel war, erhielt sie die pragmatische Bezeichnung „Ungerberg 3“, kurz U3. Sie sollte den Vorstoß gegnerischer Truppen entlang der B10 in Richtung Wiener Neustädter Becken und die Eingänge in das Alpenvorland verhindern. Die Vorgaben für die festen Anlagen verfolgen das Bundesheer bis in die heutige Zeit: einfach sollen sie sein, und billig. Deshalb wurde eingebaut, was verfügbar war: Die Bunkeranlagen wurden mit Drehkränzen versehen, in die Panzertürme veralteter britischer Centurion und Charioteer Kampfpanzer eingebaut wurden. Die Panzerwannen verkaufte man kurzer Hand. Auch die Haubitzen hatten schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel, wie man aus der Modellbezeichnung „10,5-cm-Feldhaubitze 18/40“ ersehen kann. U3 war wegen seiner Ausmaße, Bewaffnung und Besatzungsstärke ein Großwerk: die Grundfläche beträgt rund 200m x 50m, die zweistöckige Anlage ist 15m hoch. In die Planung flossen Erfahrungen aus dem Festungsbau ein. So war die Anlage auch beim Einsatz chemischer Kampfstoffe sicher. Im 100m langen Verbindungsgang zum vorderen Panzerturm gibt es ein Gefälle von 1,5m, das einen Kamineffekt erzeugt. Dadurch entsteht ein ständiger Überdruck, der verhinderte, dass ungefilterte Luft in die Anlage gelangt. Nähere Informationen zu Planung und Bau gibt es nicht; sie sind auch heute noch unter Verschluss.
Obwohl die Bunkeranlage als Reaktion auf die Ungarnkrise 1956 geplant und gebaut wurde, fand sie auch im Raumverteidigungskonzept von 1968 ihren Platz: Sie verteidigte die Schlüsselzone der Brucker Pforte. Oben waren dazu mit den Sperrbataillonen 111 und 112 rund 2.400 Mann eingesetzt; unter der Erde, in 8m Tiefe und unter 2,5m Beton, lebten in U3 50 Mann, sämtlich Milizsoldaten. Hinter dem letzten Soldaten wurde die Türe zugesperrt, und die Bunkerbesatzung war auf sich alleine gestellt. „Plan für einen Rückzug gab es keinen, denn mit damaligen Mitteln war der Bunker nicht zu knacken.“, erzählte Hatos. Für Notfälle – und zur psychologischen Beruhigung der Besatzung – gab es allerdings mehrere Notausstiege. Alle zwei Jahre übten die Sperrtruppen und ließen sich einsperren. Die wichtigste Ausrüstung, um dem Bunkerkoller zu entgehen, wurde privat beschafft: Gesellschaftsspiele in Hülle und Fülle.
„Jeder Bunker ist nur so effektiv wie die Sperren, die davor liegen.“, sagte Hatos. Vor der Bunkerlinie lag ein 1,2 km langer Panzergraben, dem ebenso lange Flächendrahthindernisse vorgelagert waren. Gegen feindliche Gefechtsfahrzeuge – man rechnete in der Brucker Pforte mit ca. 400 Kampfpanzern – wären 40.000 bis 60.000 Panzerminen verlegt worden. Die Straßen hätten man mit Stecksperren und Panzerigeln gesperrt oder an vorbereiteten Stellen gesprengt. Vor diese Sperren wirken die Waffen der Bunkeranlage U3: Zwei 10,5cm Centurion-Panzertürme und eine 10,5 cm Haubitze. Zusätzlich gab es Kampfstände für Panzerabwehrrohre und Maschinengewehre. Ausgestattet war der Bunker mit Munition und Verpflegung für drei bis vier Wochen. Bei einem Angriff rechnete man mit einer Sperrwirkung von maximal 24 Stunden. Danach wären die Hauptwaffen höchstwahrscheinlich zerstört und der Bunker einfach umgangen worden.
Dieser erste Sperrriegel zwischen Parndorf und Bruck an der Leitha hätte einen Angriff lediglich verzögert, doch eines weiß man heute: Die ungarische Armee – die in diesem Raum mit zwei mechanisierten Divisionen und einer Panzerdivision angegriffen hätte – hatte vor diesem Riegel großen Respekt.
Text: Thomas Reichl
Der Kalte Krieg prägte die Geschichte des Bundesheeres der Zweiten Republik. Aufgrund seiner Neutralität hatte sich Österreich selbstständig gegen militärische Bedrohungen zu verteidigen. Als erfolgversprechendste Strategie wurde damals die Raumverteidigung beurteilt - dies bedingte auch den Bau ortsgebundener Verteidigungs- und Sperranlagen. Nach dem Zusammenbruch des Ostblockes verloren das Raumverteidigungskonzept sowie seine Einrichtungen ihren Zweck. Die Erinnerung an diese Zeit wird durch die Bunkeranlage in Bruckneudorf aufrechterhalten.
Am 12. September 2014 übernahm der Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums (HGM), Hofrat Dr. Christian Ortner, unter Anwesenheit des burgenländischen Landeshauptmannes, Hans Niessl, und des Kommandanten des Truppenübungsplatzes Bruckneudorf, Oberst Franz Neuhold, die Bunkeranlage Ungerberg 3 in Bruckneudorf in die Obhut des Museums.
Es ist ein einzigartiges Relikt des Kalten Krieges, das mit seiner Originalausstattung seit Herbst 2014 besichtigt werden kann.
Die Stellung Österreichs als neutraler Staat zwischen den Militärblöcken NATO und Warschauer Pakt (siehe TD-Heft 3/2015 „Der Warschauer Pakt“, S. 200) machten es notwendig, eine wirksame Verteidigung zu planen. Mit dem Raumverteidigungskonzept glaubte man, dieses Ende der 1960er-Jahre gefunden zu haben. Im Gegensatz zur früher üblichen Grenzverteidigung war geplant, das Staatsgebiet durch den Kampf in Schlüsselzonen, Raumsicherungszonen und Schlüsselräumen zu verteidigen. Im Fall eines feindlichen Angriffes sollte vor allem in den Schlüsselzonen intensiv gekämpft werden. Zu diesem Zwecke wurden Feste Anlagen (FAn - mit Kanonen bestückte Bunkeranlagen; Anm.), vorbereitete Sperren und Feldsperren sowie Landwehrlager errichtet. Personell waren diese mit Landwehreinheiten besetzt, die auf Milizbasis formiert waren.
Wie man aus inzwischen veröffentlichten Dokumenten des Warschauer Paktes weiß, war das Raumverteidigungskonzept vor allem im Osten gefürchtet.
Die Baumaßnahmen an der Bunkerlinie, welche auch „Schleinzerwall” genannt wurde (Karl Schleinzer: Verteidigungsminister von 1961 bis 1964; Anm.), war mit ihren Festen Anlagen und sonstigen Befestigungen bis 1964 großteils fertig gestellt. Während des Kalten Krieges galt dieser Wall als erste Verteidigungslinie und Bollwerk für einen möglichen Angriff aus dem Osten - konkret aus Ungarn. Zwischen der Donau und Wiener Neustadt wurden insgesamt rund 140 Anlagen in unterschiedlicher Größe und mit unterschiedlicher Bewaffnung gebaut. Die heutige Schauanlage Ungerberg 3(U3) wurde 1959/1960 als eine der ersten Anlagen des Sperrriegels errichtet. Die Baumaßnahmen dauerten zwei Jahre, der Bunker selbst entstand unter strengster Geheimhaltung. So ist weder bekannt, wie viele Soldaten mitgearbeitet haben, noch gibt es Baupläne.
Der „Schleinzerwall“ entstand bereits bevor es die Raumverteidigung gab, als Reaktion auf die Ungarnkrise des Jahres 1956. Seine Errichtung begründete die ortsfesten Verteidigungsanlagen in Österreich während des Kalten Krieges. Diese wurden ab den 1970er-Jahren im Zuge des Raumverteidigungskonzeptes verstärkt gebaut. Die Anlage am Ungerberg wurde in dieses Konzept integriert und ist somit auch ein Zeuge dieser Epoche.
Sie hätte im Zusammenwirken mit der, im selben Abschnitt befindlichen, Anlage am Gaisberg, feindliche, mechanisierte Kräfte entlang der Bundesstraße 10 (B10) in Richtung Wien aufhalten sollen. Hierfür wurden starke Sperrriegel zwischen der Leitha und dem Neusiedlersee errichtet. Um die Bundesstraße zu sperren, waren neben den Bunkeranlagen mehrere Schächte zum Sprengen der Bundesstraße, für Stecksperren (die in Kisten am Straßenrand gelagert wurden) oder transportable Panzerigel aus Stahl-Winkeleisen (sowie Stahlseile zu deren Verzurrung) vorbereitet. Die Bunkeranlagen selbst sollten mit ihren schweren Waffen genau in den Bereich der Sperren wirken. Für den Ernstfall war auch geplant, mit LKW und Minenrutschen Panzerminenfelder von Nord nach Süd zu errichten. Rechts der Straße wurden zudem rund 1,5 Kilometer lange große Flächendrahthindernisse und Reihen von Beton-Panzerigeln sowie ein ebenso langer Panzergraben errichtet.
Die Schauanlage Ungerberg zeigt heute noch die umfassenden Anstrengungen, die unternommen wurden, um Angriffen möglichst lange standzuhalten. Die Betonschicht, die den Bunker umhüllt, ist zweieinhalb Meter dick und hätte dem Einsatz chemischer Waffen standgehalten. Die Verteidigungsanlage war mit etwa 40 Mann besetzt und mit 10,5-cm-Panzertürmen „Centurion“, einer 10,5-cm-Feldhaubitze 18/40, einer MG- und einer Beobachterkuppel ausgestattet.
Bis zu 50 Mann hätten hier drei Wochen autark leben können, auch wenn sie einen Angriff vermutlich nur einen Tag aufgehalten hätten. Die Anlage - eine der größten ihrer Art - war gut ausgebaut. Es gab Sanitäranlagen, Fließwasser, Zentralheizung, eine Küche, zwei Schlafräume, ein eigenes Stromaggregat und einen Gefechtsstand. Feindseitig abgewandt befanden sich zwei Notausgänge.
Interessante Gegenstände der jetzigen Schausammlung sind die zahlreichen Objekte und im Originalzustand wiederhergestellten Räume der Anlage. Zahlreiches Originalinventar sowie der Sanitätsraum oder eine eigene Nische für Särge sind immer noch vor Ort. Sogar die Haubitze, die mittlerweile längst ausgedient hat und ursprünglich zum Bestreichen des Grabens mit Artillerieabwehrfeuer diente, ist noch vorhanden.
Mit dem Ende des Kalten Krieges verlor auch das Raumverteidigungskonzept seine Daseinsberechtigung - fast alle Anlagen wurden stillgelegt. Mit der Übernahme der Bunkeranlage Ungerberg 3 durch das Heeresgeschichtliche Museum beginnt für diese nun ein neuer Zeitabschnitt - als begehbares Denkmal.
Die Anlage kann von September bis Juni jeden letzten Freitag und Samstag des Monats um 1000, 1200 und 1400 Uhr besichtigt werden. Gruppen bis maximal 15 Personen können an diesen Tagen auch außerhalb dieser Zeiten eine Führung buchen.
Kontakt für Voranmeldungen: Offiziersstellvertreter Josef Hatos
Tel: 050201 14 42051
Mobil: 0699/19661807
tuepl.bruckneudorf@bmlvs.gv.at